Mein ganzes bisheriges Leben leide ich unter meiner »versteckten« Hochsensibilität. Ich fühle mich nie irgendwo richtig dazugehörig. Versuche mit viel Kraft und Anstrengung den äußeren Schein zu wahren, wie ich es zuhause gelernt habe. Das Leben vor allem im Kontakt mit anderen Menschen hat schon in früher Kindheit seine Leichtigkeit verloren und ist meist sehr anstrengend für mich. Ich verliere mich häufig in endlosen Gedankenschleifen »Warum die Menschen um mich herum so ticken?« und was meine Bestimmung in dieser Welt ist. Oft bin ich traurig darüber, dass ich nie meine berufliche Leidenschaft gefunden habe, die mich innerlich erfüllt und nicht nur nach außen gut aussieht. Manchmal fühle ich mich vom Leben in eine Außenseiterrolle gedrängt. Ich beneide die Menschen, die ihre Passion gefunden haben und mit einer gewissen Leichtigkeit durchs Leben surfen.
Volle Kanne ins Abseits geschossen
Am 13.3.23 wurde mir dann komplett der Boden unter den Füßen weggerissen – Diagnose tripple negativer Brustkrebs. Wie konnte das sein? Ich hatte gewissenhaft jede Vorsorgeuntersuchung wahrgenommen. Brav auf meine Gesundheit geachtet. Mir war mit der Vorgeschichte meiner Mutter und Großmutter durchaus bewusst, dass ich ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs hatte, aber das mich mit gerade Mal 44 Jahren ausgerechnet die aggressivste Form treffen würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Selbst unter der Gruppe der Brustkrebspatentinnen hatte mich das Leben in die Außenseiterposition katapultiert. Die Frage nach Chemo »ja« oder »nein« brauchte ich mir erst gar nicht zu stellen. Bei dieser Brustkrebsart war die einzige Chance auf Überleben das volle Therapieprogramm. Warum hatte mir das Leben eine solche Herausforderung vor die Füße geworfen, der ich mich so gar nicht gewachsen fühlte.
Einsam im Gefühlschaos
Neben der Angst zu sterben, ist meine größte Angst mich noch weiter von den Menschen um mich herum zu entfernen, und mit meinem Gefühlschaos vollkommen allein zu sein. Mir fehlt die Kraft wieder die Starke spielen zu müssen und so zu tun, Alles mit Bravour zu meistern. Leider wird diese Erwartung von meinem Umfeld ungefragt an mich herangetragen und lässt mich innerlich komplett verzweifeln. Je stärker der Druck von außen, stark und positiv sein zu müssen, desto destruktiver wird das Gefühlschaos in mir drin. Der Glaube an Heilung geht mir mehr und mehr verloren und weicht dem Eindruck, das Leben will, dass ich leide und elend sterbe. Langfristige Lebensfreude und Leichtigkeit sind in meinem Leben nicht vorgesehen.
Warum ich nicht?
Die Frage nach dem »Warum ich« ist pure Selbstzerfleischung und bringt einen nicht weiter. Es ist aber manchmal gar nicht so leicht diese Frage aus dem eigenen Kopf zu streichen, wenn man drum herum glücklichen und gesunden Frauen begegnet, die ihr Leben voller Energie leben können. Es bedeutet auch nicht, dass man als Mensch wertlos ist, wenn das Schicksal ein paar schwierigere Päckchen für einen parat hat. So mancher Schicksalsschlag hat auch eine Lebensbotschaft im Gepäck. Ich lerne gerade, dass ich meine Sensibilität nicht länger verstecken brauche und das Recht habe, so zu leben, wie es mir gut tut. Ich brauche nicht verbissen nach dem Sinn meines Lebens zu suchen, muss nicht immer etwas Großartiges leisten, sondern darf einfach, so wie ich bin, im Hier und Jetzt das Leben genießen.